WORDS
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SEHEN UND KEIN ENDE
Strategien der Verräumlichung in der Aquarellmalerei
von Peter Holl
Text von Markus Bertsch

Denken ist interessanter als Wissen, aber nicht als Anschauen.
(Johann Wolfgang von Goethe,
Maximen und Reflexionen, Nr. 1076)

Schon der Titel der Ausstellung – „Nähe im Überblick“ – setzt ein erstes irritierendes und zunächst widersprüchlich anmutendes Signal. Damit ist angezeigt, dass der Komplex der Wahrnehmung und dessen Übersetzung in das Bild zu den konstituierenden Bestandteilen in der Malerei von Peter Holl zählen. Rückt das betrachtende Auge den Objekten nahe, kann es deren unmittelbares Umfeld nicht mehr sehen; es bleibt dem Blick entzogen. Um sich hingegen einen Überblick über das Gesehene verschaffen zu können, ist ein gewisser Abstand unabdingbar. Die raumästhetischen Kategorien von Nähe und Ferne, die traditionell über die Wahrnehmungsoppositionen von Nahsicht und Fernsicht terminologisch gefasst werden, scheinen ihre Verbindlichkeit verloren zu haben. Kann man, so ließe sich folgern, auf diese etablierten Setzungen überhaupt bauen, diesen scheinbaren Konstanten blind vertrauen? Erweist sich Gegensätzliches nicht vielleicht doch – dies legt der Ausstellungstitel nahe – als miteinander vereinbar? Damit geht der Verdacht einher, dass derartigen kategorialen Bestimmungen stets etwas Konstrukthaftes innewohnt.

 
 

Peter Holl geht diesen Fragen künstlerisch auf den Grund, macht die Subjekt-Objekt-Relation zum bestimmenden Thema seiner Bilder und kreist in diesem Zusammenhang um die Frage des eigenen Standorts. Damit wird eine reflexive Dimension erkennbar, die seinen Arbeiten innewohnt. Über deren Betrachtung wird man auf sich selbst, seine eigenen Seheindrücke verwiesen und zugleich für bestimmte Wahrnehmungsphänomene sensibilisiert. Es ist sicherlich kein Zufall, dass der Titel einer umfangreichen Studie, die dem Werk des berühmten Schweizer Fotorealisten Franz Gertsch gewidmet ist, eine vergleichbar paradoxe Wirkung entfaltet und ebenfalls auf einen Ausgleich von Gegensätzlichkeiten abzielt wie das Motto dieser Ausstellung: „Aus nächster Ferne“.I

Ein Großteil der präsentierten Arbeiten von Peter Holl ist dem Phänomen des Aus- und Durchblicks gewidmet. Gleichzeitig lassen sich diese Werke als facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Darstellungstypus des Fensterbildes fassen, der sich in der Malerei der Romantik als eigenständiges Bildmotiv etablierte.II Zu den Grundvoraussetzungen dieses Typus gehört, dass das Fenster samt Rahmen, zumindest als Ausschnitt, stets sichtbar bleibt. Im Fensterbild stoßen – das ist in struktureller Hinsicht von Belang – zwei unterschiedliche Distanzbereiche auf der durch das Fenster repräsentierten Bildebene unvermittelt aneinander. Dem Fenster kommt dabei die Scharnierfunktion zu, zwischen Innen und Außen zu vermitteln. Aus Perspektive des betrachtenden Subjekts korrespondieren mit diesen beiden Raumzonen unterschiedliche Wahrnehmungsmodi und Gefühlsqualitäten. Die Möglichkeit des Schweifens in die Ferne gerät mit dem raumbezogenen Standpunkt in Konflikt, der für den Modus der Nahsicht steht. Der Drang zur Welterschließung und -aneignung wird von reflexiven und introspektiven Gefühlen überlagert – der Rezipient ist wieder ganz bei sich.

Holls Aquarell Notausgang zeigt den Blick aus einem Fenster, das sich im Eingangsbereich des Corbusier-Gebäudes in Berlin befindet. Auf dem Fensterglas sind keinerlei Reflexe zu erkennen, dieses wirkt geradezu immateriell – die trennende Dimension der Scheibe rückt im Prozess des Anschauens in den Hintergrund. Die breite Palette unterschiedlicher Grünwerte, welche sich im Innenraum sowie im Garten- und Parkbereich finden, tragen in farbästhetischer Hinsicht ebenfalls dazu bei, den Eindruck eines kontinuierlichen Übergangs zwischen Innen und Außen zu evozieren. Im Gegensatz zu den räumlichen Gegensätzen, die den traditionellen Typus des Fensterbildes bestimmen, setzt Holl in diesem Fall auf die Durchlässigkeit beider Raumzonen, die auf anderer Ebene mit dem Bildtitel harmoniert.

 
  Notausgang  
 


Etwas näher an das Fenster herangeführt wird der Betrachter auf einem Aquarell, das den Blick aus einem Fenster des Corbusier-Hauses der Stuttgarter Weißenhofsiedlung zeigt (Corbusier 7). Angeschnittene Gebäudeteile rahmen den Ausblick in den Garten; Buschwerk und hoch aufragende Kiefern vermitteln dabei zwischen der konstruktiven Schärfe und Bestimmtheit der Architektur. Indem sich unmittelbar neben dem nahsichtig wiedergegebenen Vorhang Reflexe auf der Scheibe abzeichnen, wird die Materialität des Fensterglases selbst zum Thema der Darstellung. Erhellend ist ein Vergleich dieser Werkgruppe mit der Gattung der Architektur- und Interieurfotografie, die ihre Objekte nach wie vor gerne in Schwarzweiß taucht.

 
   
 


Im Gegensatz zu dieser reduktiven Ästhetik bestechen die Aquarelle von Holl durch ihre Lichthaltigkeit (Corbusier 6), deren besondere Wirkung sich auch der verwendeten Farbpalette verdankt. Seine malerische Strategie bettet die Architekturen einerseits in ihre landschaftliche Umgebung ein, andererseits lässt diese den Beton gleichsam atmen und pulsieren.

 
   
 


Einige Werke zeigen das Fenstermotiv in Verbindung mit einer Über-Eck-Perspektive. Auf „Oper“ ist es das gleißende, durch die Scheibe fallende Licht, welches sich zum Hauptprotagonisten aufschwingt und die Konturen des Fensterrahmens sowohl an die Wand als auch auf den spiegelglatten Boden wirft. Hingegen bleiben die im Fensterausschnitt sichtbaren Gegenstände schemenhaft-entrückt. Was jedoch zunächst wie der viel zu hoch liegende steinerne Fußboden anmutet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen – dies machen auch die Schattenwürfe deutlich – als Abschluss der marmornen, im unmittelbaren Vordergrund befindlichen Treppenhausmauer. Das Bild ist ein treffendes Beispiel für die vom Künstler wohl kalkulierten Irritationen des Sehens.

 
   
 


Ein weiteres, „Buxheim" betiteltes Aquarell zeigt ebenfalls den Blick in die Ecke eines Raumes, allerdings ist die Perspektive hierbei derart nahsichtig gewählt, dass von dem Fenster lediglich dessen linker Abschluss zu sehen ist. Ohne den Blick nach Außen zu zeigen, bezieht das Blatt seinen Reiz aus den Schattenwürfen des einfallenden Lichts, das die wabenförmig gefassten Butzenscheiben auf die Wand wirft. Doch die Auseinandersetzung mit diesem Werk bleibt nicht auf den reinen Modus des Anschauens beschränkt. Denn über den Titel des Aquarells wird dieses zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen. Wiederum ist es ein in kunsthistorischer Hinsicht wichtiger Ort, den Holl aufgesucht hat, um ihm ungewöhnliche Blickwinkel abzugewinnen. In diesem Fall hat er einen Fenster-Wand-Abschnitt im Kreuzgang der ehemaligen Reichskartause Buxheim nahe Memmingen als Bildmotiv gewählt.

 
   
 


Holls Strategie, über seine Kunst mit der auratischen Dimension eines Orts zu spielen, um die produktive Einbildungskraft des Betrachters zu aktivieren oder aber dessen Erwartungshaltung zu unterlaufen, trifft auch auf sein Aquarell „Hegelhaus". Von einem Vorhang teilweise verdeckt, zeigt das Blatt den Blick aus einem Fenster des Geburtshauses von Georg Wilhelm Friedrich Hegel in der Stuttgarter Eberhardstraße. Bedingt durch die bildparallele Anordnung scheint der Fensterrahmen auf der Bildfläche mit der Fassade der auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen ehemaligen Horten-Filiale zu verschmelzen, die sich im Ausblick zeigt. Deren charakteristische, von dem Architekten Egon Eiermann in den frühen 1960er Jahren entwickelte Wabenstruktur fungiert gleichsam als visuelle Chiffre deutscher Fußgängerzonenarchitektur. Die Gegensätze, die sich, die unterschiedlichen Raumebenen betreffend, zugleich als Zeitsprung fassen lassen, könnten deutlicher nicht ausfallen: Gerade noch mit einem Raum befasst, der seine Aura daraus bezieht, dass eine bedeutende Geistesgröße darin aufwuchs, d.h. einstmals leibhaft präsent war, manövriert der hohe Wiedererkennungswert der Kaufhausfassade den Betrachter gedanklich in die profane und banale Welt des Konsums. Doch abgesehen von der beschriebenen dichotomischen Struktur macht Holls bildnerische Strategie auch deutlich, wie der historische Ort in der Gegenwart angelangt, in diese eingebettet ist.

 
   
 


Dem Typus des Fensterbilds ist auch eine größere Gruppe an Aquarellen zuzurechnen, die bislang noch unerwähnt blieb. Auf diesen Darstellungen wird der Betrachter derart nah an das Fenster herangeführt, dass sich der Rahmen außerhalb des Bildfeldes befindet. Lediglich die ungerahmte Scheibe bleibt zu sehen, die, das ist in medialer Hinsicht von Belang, bildparallel ausgerichtet ist, mit der vorderen Bildebene zusammenfällt und damit zugleich die ästhetische Grenze markiert. III Zu den genuinen Eigenschaften des Glases zählt seine Transparenz. Damit dieser Gegenstand im Kunstwerk nicht gänzlich unsichtbar wird, haben sich die Künstler bestimmter Strategien bedient, um dem Betrachter ein Bewusstsein von der Existenz der Scheibe visuell zu vermitteln.
Auf „Zerkratzte Scheibe" hat Holl den Akt der mutwilligen Zerstörung des Fensterglases zum Thema gemacht. Erst aufgrund der offensichtlichen Kratzspuren an der Oberfläche der Scheibe wird diese – materiell und medial – zum Erscheinen gebracht, wird im Wahrnehmungsakt als Teil der Realität des Bildes erfahren. Bezeichnend ist dabei auch, dass an denjenigen Stellen, an denen die Kratzer die Scheibe „besetzt“ haben, das Glas seiner eigentlichen Funktion, Durchblick zu bieten, nicht mehr nachkommt – es wird opak.

 
   
 


Im Zusammenhang mit der beschriebenen Strukturform sei auf eine berühmte, 1929 entstandene, Broken Plate betitelte Fotografie von André Kertész verwiesen, geradezu eine Inkunabel der Fotografiegeschichte, die einen wenig spektakulär anmutenden Blick über die Dächer von Paris zeigt (Vgl.-Abb.) IV. Erst das Loch in der Scheibe macht diese sichtbar und dadurch zu einem Teil der Komposition. Die von der Öffnung bis zu den Rändern des Fotos ausstrahlenden Risse wirken als erhebliche Störfaktoren bei der Betrachtung. Doch die Irritationen bleiben darauf nicht beschränkt. Schließlich hat Kertész nicht, obgleich es zunächst den Anschein hat, die Stadtansicht durch eine geborstene Fensterscheibe aufgenommen – es handelt sich lediglich um das zerbrochene Glasnegativ, von dem der Künstler zu einem späteren Zeitpunkt nochmals einen Abzug machte.

 
   
 


Zwei weitere Aquarelle von Peter Holl, „Marienplatz 1" und „Marienplatz 2", lassen sich in bildästhetischer Perspektive ebenfalls der Werkgruppe der Fensterbilder zuweisen. Vom Vorder- bis zum Hintergrund erscheint alles im Bildfeld scharf, lediglich die Reflexe, die entstanden, als Holl den Ausschnitt aus der Straßenbahn heraus fotografisch mit Blitzlicht festhielt und diese in seine Aquarelle übernahm, sind nicht konturenscharf. Wiedergegeben sind einzelne Passanten, die mit gerichteten Schritten über den Stuttgarter Marienplatz laufen. Das transitorische Moment des Übergangs erhält dadurch eine gewisse Dauer und Festigkeit, indem die dargestellten Personen in ihren Bewegungen wie eingefroren wirken.

 
   
 


In kompositorischer wie auch technischer Hinsicht ergeben sich gewisse Parallelen zu bestimmten Straßenszenen im Werk von Robert Bechtle, einer der prägenden Figuren des amerikanischen Fotorealismus. Wie das 1989 entstandene Aquarell Potrero Stroller – Crossing Arkansas Street veranschaulicht, das eine vereinzelte Figur zeigt, evozieren seine Szenerien – das trifft übrigens auch auf die beiden Kompositionen von Holl zu – das Gefühl einer gewissen Leere und Verlorenheit.

 
   
 


Im Gegensatz zu Bechtles Blatt wird jedoch auf den beiden Arbeiten von Holl die Betrachtung des vermeintlichen, scharf wiedergegebenen Hauptmotivs durch die in ihrer Unschärfe eingefangenen Reflexe und Brechungen empfindlich gestört. Die irritierende Gesamtwirkung wird hier erst als ein Resultat der fotografischen Aufnahme greifbar; es ist das Medium selbst, welches, gleichsam autopoetisch, die Reflexe hervorbringt und dadurch ein Eigenleben entfaltet. Diese Feststellung scheint vor dem Hintergrund des Werkprozesses von Bedeutung. Während sich die Wahl von Motiv wie auch Bildausschnitt der subjektiven Setzung des Künstlers verdanken und damit seiner Kontrolle unterliegen, werden bestimmte, durchaus bildbestimmende Details, erst in der Fotografie sichtbar. Da sich Holl im Zuge der Übertragung des Fotos in das malerische Medium eng an die Vorlage anlehnt, ist in gewissem Sinne der Zufall gestalterisch mit am Werk und schreibt sich diesem ein.

Die Auseinandersetzung mit vergangenen Kunstepochen und die Eröffnung kunsthistorischer Referenzen zeigen sich im bildnerischen Werk von Peter Holl auf vielfältige Art und Weise. Dies trifft auch auf seine dreiteilige, zwischen 2007 und 2009 entstandene Werkgruppe zu, deren verbindendes Motiv ein Höckerschwan bildet.

 
   
 


Der Schwan fand bereits zu einem früheren Zeitpunkt Eingang in die Bildwelt des Künstlers. Das 2000 entstandene Aquarell Zweite Heimat steht für eine Werkphase, in der Holl mit dem Prinzip der Durchleuchtung von Magazinseiten zwei Darstellungen miteinander verschränkte und so einen „unmöglichen Raum“ V entstehen ließ: In diesem Fall gleitet der Schwan auf einem Hotelflur sanft dahin. Von diesen offensichtlichen Irritationen des Blicks VI rückt Holl auf seinen neuen, diesem Wasservogel gewidmeten Arbeiten ab. Ein ausnehmend großformatiges Bild, mit Aquarellfarben auf Leinwand gemalt, zeigt den Vogel in einem begradigten, von einer Betonmauer eingefassten Gewässer schwimmend. Nach oben und hinten zu wird der Bildraum von wuchtigen, angeschnittenen Betonpfeilern abgeschlossen, die sich auf der Wasseroberfläche spiegeln. Dieses Motiv hat der Künstler auch in einer bildmäßigeren, weniger ausschnitthaften Komposition umgesetzt. War die Umgebung zuvor nur vage bezeichnet, wird nun deutlich, dass es sich bei dem Bauwerk um eine massive Brücke handelt, im konkreten Fall um die in den 1980er Jahren errichtete Autobahnbrücke in Memmingen, die den Stetter Weiher überspannt, der zum damaligen Zeitpunkt – im Sinne ästhetisch-funktionaler Vereinheitlichung – eine Betoneinfassung erhielt. Klang bereits in der ersten der besprochenen Arbeiten der Gegensatz von Natur und Kultur an, wird dieser nun, bedingt durch die Bildstruktur, um eine zivilisationskritische Note bereichert. Der Schwan schwimmt nun förmlich gegen das in Untersicht wiedergegebene und dadurch noch monumentaler wirkende Brückenungetüm an, das die obere Bildhälfte dominiert und, aufgrund der perspektivischen Verkürzung, zudem dynamisiert. Obgleich sich die Darstellung einer konkreten Lokalität verpflichtet erweist, scheinen auf der horizontalen Mittelachse die beiden Sphären von Kultur und Natur unvermittelt aufeinander zu prallen.

In dieser Konstellation eignet dem Schwan, bedingt auch durch seine strenge, bildparallele Ausrichtung, eine besondere, geradezu emblematische Qualität. In der Romantik kam gerade diesem Vogel als Kunstmotiv eine besondere Bedeutung zu – den Bildwelten eines Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge lässt sich dies unschwer entnehmen. Dabei wurde der Schwan insbesondere mit dem Thema der Todessehnsucht verbunden, das geradezu leitmotivisch für diese Epoche steht, in der zugleich erstmals bildnerisch Stellung zu den negativen Folgeerscheinungen der Industrialisierung und Technisierung – und damit zur beginnenden Zerstörung der Natur – bezogen wurde. In diesen Kontext fügt sich auch die Vorstellung vom Schwanengesang, wonach die Vögel unmittelbar vor dem bevorstehenden Tod nochmals ihren letzten und zugleich schönsten Gesang anstimmen. Wegen dieser ihm zugewiesenen Eigenschaft avancierte der Schwan in der Romantik gleichzeitig zu einem Sinnbild der Jenseitserwartung. Zunächst als Bild der Stille erfahrbar, werden vor Holls Aquarell in der Imagination des Betrachters ebenfalls akustische Reize abgerufen. Dabei lässt sich der Motorenlärm als Gegenbild der gesanglich-mythischen Möglichkeiten des Schwans begreifen, der eine der höchsten Stufen der Naturgeräusche verkörpert.

Ausnehmend nahsichtig ist der Schwan auf der dritten Darstellung dieser Werkgruppe wiedergegeben, auf welcher er den Kopf unter die Wasseroberfläche getaucht hat. Der Sänger tritt gleichsam als bildender Künstler in Erscheinung, der durch sein Abtauchen den Wasserspiegel in Schwingungen versetzt und in Verbindung mit dem einfallenden Sonnenlicht als Oberflächenreflexe farbige Schlieren und Wirbel erzeugt.

 
   
 


Doch im Gegensatz zu Julian Opies 2002/03 entstandener Serie We played in the hotel pool (Vgl.-Abb.) ist Holls Bild noch nicht im rein Ornamentalen aufgegangen, in dessen Bewegungen sich das betrachtende Auge zu verlieren scheint. Stattdessen verbleibt mit dem Schwan der Hauptakteur im Bild und verweist nachdrücklich auf seine – bislang unerwähnt gebliebene – Bedeutungsdimension als Symbol des Apoll Musagetes: als Beschützer der Künste.

 
   
 


I Lübbert R. Haneborger, Aus nächster Ferne. Zur Entstehung und Entwicklung der Bildform bei Franz Gertsch, Phil. Diss. Universität Oldenburg 2004 (http://oops.uni-oldenburg.de/volltextsuche/2005/153/).
II Zum Fensterbild vgl. Erik Forssmann, Fensterbilder von der Romantik bis zur Moderne, in: Konsthistoriska Studier. Festschrift Sten Karling, Stockholm 1966, S. 289-320; J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, Fensterbilder. Motivketten in der europäischen Malerei, in: Ludwig Grote (Hrsg.), Beiträge zur Motivkunde des 19. Jahrhunderts, München 1970, S. 13-165; Oliver Kase, Offene und geschlossene Fenster – Mimesis-Korrekturen im Atelierbild 1806-1836, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 69, 2006, S. 217-250; Johannes Grave, Der „fixierte Blick“. Bildtheoretische Implikationen des Fensterbildes bei Carl Gustav Carus, in: Petra Kuhlmann-Hodick u.a. (Hrsg.), Carl Gustav Carus, Wahrnehmung und Konstruktion. Essays, Berlin/München 2009, S. 201-210.
III Zu Funktion und Bedeutung der ästhetischen Grenze in der Malerei vgl. Ernst Michalski, Die ästhetische Grenze für die Methode der Kunstgeschichte [1932]. Mit einem Nachwort von Bernhard Kerber, Berlin 1996.
IV Vgl. zu dieser Fotografie jüngst: Peter Geimer, Bilder aus Versehen. Eine Geschichte fotografischer Erscheinungen, Hamburg 2010, S. 9-11.
V Diesen Terminus entnehme ich Martin Saar, „So nah auseinander“, in: Kontakt: Peter Holl (No. 1), Stuttgart: Privatdruck 2001.
IV Vgl. hierzu den Ausstellungskatalog: Peter Holl, gestern war heute morgen, Stuttgart 2003, sowie darin den erhellenden Essay von Christian Skirke.

 
 


Markus Bertsch

 
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